Die Raffael Engel: Wie ein riesiges Bild von 1512 für ein kleines Detail weltberühmt wurde

Die beiden Raffael Engel sind jedem bekannt , doch dass sie nur ein Teil eines großen Gemälde sind, wissen die Wenigsten
8 Apr, 2024
Raffael Engel Sixtinische Madonna 1512 Dresden

Sicherlich hast du schonmal aus einer Tasse mit diesen zwei Engeln getrunken. Vielleicht waren es aber auch Brotdosen, Leinenbeutel, Socken, Kunstdrucke, Postkarten… Die Liste könnte ich endlos weiterführen. Die zwei verträumten Raffael Engel sind überall und jeder hat sie schonmal gesehen. Spannend ist aber, dass die zwei Engelchen kein eigenes Bild ausmachen. Sie sind Teil eines großen Bildes von Raffael, was über 500 Jahre alt ist. Auch wenn Raffael ein italienischer Maler war und wir uns mit ihm und seinen Werken in der Renaissance befinden, können wir heute das gesamte Werk in Dresden bestaunen. Ein weltberühmtes Kunstwerk quasi um die Ecke.

Die sixtinische Madonna von Raffael

Dieses Bild ist ein echtes Meisterwerk und riesengroß! 256 ×196 cm ist das Gemälde – so groß und trotzdem kennt jeder nur einen 30×80 cm Ausschnitt. Ich möchte euch gerne das gesamte Gemälde näher bringen. In der Mitte erkennt man Maria mit dem Jesu Kind im blau-roten Gewand und braunen Kopftuch. Daneben stehen zwei Personen: eine Frau auf der rechten Seite, ein Mann auf der Linken.

Der Mann zeigt auf uns, die Betrachter, blickt uns aber nicht an. Die Frau wendet ihren Blick von Maria ab in Richtung der beiden Weltstars. Diese Figurenkonstellation steht auf Wolken. Darunter stützen die beiden Engelchen ihren Kopf auf einem Untergrund. Links in der Ecke sehen wir auch etwas spannendes. Was könnte das sein? Gerahmt wird das Bild von einem grünen Vorhang, der von oben zu den Außenseiten verläuft. Und vielleicht ist es dir bisher auch noch nicht aufgefallen, aber schau mal in den Hintergrund. Siehst du die Gesichter?

Wer sind die Personen auf dem Bild?

Maria und das Jesuskind haben wir bereits als diese identifiziert. Bei dem Mann auf der linken Seite handelt es sich um den Papst Sixtus II. Das Objekt unten links in der Ecke nennt sich Tiara und wird von Päpsten zu Feierlichkeiten getragen. Demnach gehört diese Tiara wohl zu Papst Sixtus II. Er hat seine Kopfbedeckung vor der Heiligen Jungfrau abgelegt. Die Frau auf der rechtem Seite stellt die Heilige Barbara dar. Dies kann man bei genauerer Beobachtung an dem Turm hinter ihr erkennen, denn dieser ist ihr Attribut. Der Legende nach wurde sie dort von ihrem Vater eingesperrt.

Kommen wir zu unseren kleinen herzerwärmenden Engeln. Wer sind die zwei eigentlich? Tatsächlich wird behauptet, dass es sich bei den beiden nicht um Engel handelt, sondern um Putten. Putten oder auch Eroten genannt sind geflügelte BegleiterInnen. Der bekannteste Putte mag wohl Amor, der Gott der Liebe sein. Amor ist nämlich auch kein Engel. Es wurde auch viel spekuliert, ob es sich hier um Johannes den Täufer und Jesus handeln könnte.

Der Hintergrund: „Eine Meisterleistung“

So spannend und toll die kleinen Engel doch sind, umso bedauerlicher ist es, dass die eigentliche Meisterleistung in den wortwörtlichen Hintergrund tritt. Wie ich bereits eben angesprochen habe, sieht man im besagten Hintergrund auf den zweiten Blick Gesichter. Weiter entfernt sieht man erstmal Wolken, doch umso mehr man sich dem Bild annähert, erkennt man unzählige Gesichter von Engeln. Diese optische Täuschung wird als Epiphanie bezeichnet. Damit ist die Erscheinung eines Göttlichen gemeint und wird hier mit dem Überirdischen durch Wolken und gleichzeitig durch die Personifizierung von Engeln als göttliche Wesen.

Man kann diese Darstellung auch mit der Seele interpretieren. Die Seele steigt durch die beiden Putten unten hoch zu dem Papst Sixtus und der heiligen Barbara als reine Seele und geht dann zur Maria und Jesus über, die für „Geburt“ stehen können.

Warum „sixtinische“ Madonna?

Vielleicht konntet ihr es euch schon ableiten, als ich angefangen habe, mich mit dem Gemälde näher auseinanderzusetzen, habe ich mir diese Frage natürlich gestellt. Oft ist es ja so – gerade bei älteren Gemälden, bei denen wenig überliefert wurde – dass die Bilder gar keinen Originaltitel bekommen haben. Dann kommt es dazu, dass 200 Jahre später einem Bild ein Titel gegeben wird, der die Interpretation und Ansichtsweise stark lenken kann. Natürlich werden sich sorgfältige Gedanken gemacht und keine willkürlichen Titel verliehen. Leider weiß ich nicht, ob das Gemälde erst im Nachhinein benannt wurde oder von Raffael selbst.

Wieso das Bild sixtinische Madonna heißt, hat mehrere Gründe. Zum einen wurde das Gemälde ursprünglich für einen speziellen Ort gemalt. Papst Julius II gab das Gemälde in Auftrag und es wurde für die San Sisto Klosterkirche in Piacenza, Italien gemalt. Das ist nicht nur zufällig die Grabesstätte von Papst Sixtus II und der heiligen Barbara von Nikomedien. Letztlich wurde das Bild also nach dem Papst Sixtus benannt, da das Gemälde zum einen Ursprünglich in der San Sisto hing und zum Anderen, weil der Papst ebenso Teil des Bildes ist.

Mittlerweile hängt dort wieder eine Kopie des Originals von Raffael. Wie schön, dass das Original bei uns in Deutschland hängt und jährlich von tausenden Menschen bestaunt werden kann. Wenn dich spannende Geschichten aus der Kunst interessieren, schau dir gerne unsere anderen Artikel an. Neulich haben wir uns mit Dioynsos, dem Gott des Weines auseinander gesetzt.

AUTOR:IN


Marius Greb
Juju Neck
Kunstpädagogik Studentin der Justus-Liebig-Universität (JLU) und Praktikantin des ART&WINE Magazine. Als leidenschaftliche Kunstliebende beschäftigt Juju sich hauptsächlich mit christlicher und mythologischer Ikonografie, Bildtraditionen, etablierten Kunstbegriffen und der Frage wie man Menschen für die Kunst begeistern kann.

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