Wir hatten das große Vergnügen, mit Pandora Mather-Lees zu sprechen, der Gründerin und Geschäftsführerin von Pandora Art Services Consultancy. Sie leistet Pionierarbeit bei der Pflege und dem Schutz von Kunstwerken in internationalen Gewässern auf Superyachten – eine Nische, die jedoch großes Potential birgt.
Über Pandora Mather-Lees
Als Fellow der Royal Society of Arts ist Pandora seit über 20 Jahren auf Vorstandsebene im Kunst- und Kultursektor tätig. Sie engagiert sich im Bereich von Geschäftsstrategien, Marketing und Entwicklung. Daneben leitete sie die digitale Lern-Plattform Bridgeman Education, eine Online-Bibliothek mit großen Kunstsammlungen aus aller Welt.
Pandora hat einen erstklassigen Abschluss in Kunstgeschichte von der Universität Manchester und einen Master in Geschichte vom Keble College der Universität Oxford. Außerdem ist sie Ehrenmitglied in der Worshipful Company Of Arts Scholars und Gründungsmitglied der Art Due Diligence Group.
A&W: Wie kommt man dazu, sich um Kunst auf Superyachten zu kümmern?
Pandora: In Berührung mit dem Thema kam ich durch meine vorherige Arbeit bei der Hedley’s Group, einem Unternehmen im Bereich der High-End-Kunstlogistik. Hier war ich für die Kunstwerke und das Neugeschäft zuständig. Dadurch reiste ich unter anderem nach Südfrankreich, wo sehr viel Kunst auf Yachten transportiert wird. So kam ich zu ersten Kontakten in der Szene.
Im Rahmen meiner Arbeit wurde ich von einer Luxusmarke gebeten, sie bei Ausstellungen zu unterstützen. So wurde die Monaco Yacht Show für mich zum jährlichen Pflichtprogramm. Dabei fiel mir auf, dass niemand Kunstschulungen für die Yachtbesatzung anbietet. Obwohl jede Menge Unternehmen vor Ort waren, die Ausbildungen in Weinkunde, Tischbedeckung und Blumenarrangement durchführten, gab es keine Schulungen über die Kunst auf den Yachten.
Daher beschloss ich, diese Lücke zu füllen, und setzte mich dann mit der Konservatorin des Nationalen Schifffahrtsmuseums in Verbindung, die mich ermutigte, Workshops über die praktische Pflege von Kunst zu veranstalten. Sie war Ex-Stewardess und Spezialistin in der Konservierung von Kunst auf See. Schließlich arbeiteten wir zusammen und organisierten ein Symposium für die Konservierung von Kunst auf Yachten. Wir zeigten auf, was manchen Kunstobjekten passiert ist – erschreckend, welches Schadensmaß dabei war und wie viel Unwissen bestand. Das war der Startschuss.
A&W: Das ist faszinierend! Wie war die Umstellung, auf einmal unterrichten zu müssen?
Pandora: Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich Unterricht geben würde. Ich mochte Schule gar nicht und mit 16 hab ich die Schule sogar verlassen. Damals herrschten noch strengere Zeiten, die meine Sichtweise auf Bildung beeinflusst haben.
Im Laufe meiner Karriere habe ich jedoch viele junge und ältere Menschen unterrichtet, darunter Studierende, Berufseinsteiger und absolut Berufserfahrene. Mir bereitet es Freude, mit allen zusammenzuarbeiten, da sie mich inspirieren. Sie bringen immer eine andere Sichtweise und neue Erfahrungen mit und waren so dankbar für die Hilfe. In gewisser Weise ist das Unterrichten für mich also ein bisschen wie ein Geben und Nehmen. Meine Affinität zum Thema hat mir sehr geholfen – gerade weil ich keine ausgebildete Lehrerin oder Moderatorin bin. Aber der Wunsch, mein Wissen weiterzugeben, ist stärker als die Angst oder Scheu.
Es macht mir großen Spaß, die Crew zu unterrichten, da sie besonders aufmerksam ist. Die Teilnehmer freuen sich und erlernen Fähigkeiten, die gleichzeitig ihre Karriere fördern.
A&W: Diese Erfahrungen haben sicher geholfen beim Sprung zum Unternehmertum.
Pandora: Der berufliche Wechsel bestand hauptsächlich darin, sich in einer anderen Branche zurechtzufinden, da ich niemanden kannte. Alle meine Verbindungen zu Unternehmen und Kollegen waren von Grund auf neu. Für mich, die ich so lange in der Kunst gearbeitet habe, war es erfrischend, in einen völlig anderen Bereich der Branche einzutauchen. Jede Minute davon habe ich geliebt. Ich bewege mich jedoch in einer enormen Nische. Man stellt fest, dass man sich ständig weiterbilden muss.
A&W: Warum lagern die Leute eigentlich Kunst auf Booten?
Pandora: Ich würde sagen, dass die Leute weniger Kunst auf Booten lagern. Sie stellen ihre Kunst gerne auf Booten zur Schau – und das kann alles sein, von einem Gemälde über einen Dale Chihuly-Kronleuchter bis hin zu erstaunlichsten Skulpturen oder einer Reihe von dekorativen Kunstobjekten. Manche Kunstwerke sind wie Trophäen für die Besitzer.
Die Besitzer haben die Werke gerne an Bord, weil ihre Yacht ihr zweites Zuhause ist – vielleicht auch ihr Lieblingsplatz, an dem sie sich wirklich entspannen und wohlfühlen können. Sie können damit überall auf der Welt hin und freuen sich besondere Werke an Bord zu haben. Sie genießen ihre Kunstwerke und zeigen sie gerne den Gästen.
Ein wichtiger Aspekt ist auch das Unterscheidungsmerkmal zu jeder anderen Yacht, die von Feadship oder Lurssen entworfen wurde und deren Innenausstattung von Andrew Winch oder Terrence Disdale stammt. Es ist die Kunst, die sie von den anderen Eigentümern unterscheidet. Erstaunlicherweise reiht sich trotzdem ein ähnliches Sammlerverhalten ein. Warhol oder Fontana stehen zum Beispiel häufiger auf der Einkaufsliste.
A&W: Es ist schön, Kunstwerke an Bord zu haben, aber was sind dabei die Risiken und wie kann man diese Risiken vermeiden?
Pandora: Die Risiken lassen sich grob in drei Bereiche einteilen. Das sind erstens die rechtlichen Exportrisiken, zweitens die Pflege der Objekte selbst und drittens das Know-How der Kapitäne und Besatzung über Kunst. Wenn das Know-How fehlt, können sie die Werke auch nicht schützen.
Dies ist ein sehr tiefgreifendes Thema, aber das größte Risiko besteht klar darin, die Kunst überhaupt an Bord zu bringen. Denn bei fast jedem Werk stellt man fest, dass Transport und Logistik die größten Gefahren darstellen. Aus diesem Grund versichern selbst Versicherungsgesellschaften Kunstwerke ungern gegen Transportschäden. Das Befestigen des Objekts an Bord ist auch kritisch, wenn es sich um eine Skulptur handelt, die möglicherweise umstürzen könnte. Daher legen wir in unseren Workshops auch einen Fokus auf die Logistik.
Daneben besteht auch die Gefahr von Diebstahl. Zur Wartung oder Überholung der Schiffe kommen viele verschiedene Personen an Bord. Ein weiteres Risiko ist die Umwelt – das Klima, die salzhaltige Luft, das Licht, die Schädlinge, der Schimmel und Schäden durch Menschen gehören dazu.
Der schlimmste Faktor ist die Unwissenheit über das, was man besitzt. Damit geht meistens auch die fehlende Kommunikation über Pflege und Beschaffenheit der Werke einher. Man sollte auch darauf achten, was man beim Reinigen anfasst.
A&W: Wie schützt man Kunst auf Superyachten in einer maritimen Umwelt vor dem Klima, salzhaltiger Luft oder Licht?
Pandora: Ich arbeite mit einer Reihe von Unternehmen zusammen, die der Besatzung helfen, die Kunst an Bord zu schützen. So sind zum Beispiel spezielle Gehäuse mit Smart Glass von ArtRatio nützlich. Zumindest sollte eine UV-reflektierende Abdeckungen vorhanden sein. Das bietet einen gewissen Schutz vor Feuchtigkeit und Licht.
Der beste Schutz liegt darin, das Kunstwerk nicht mit an Bord zu nehmen, sondern ein Replika zu erstellen. Hier kann Arius Technology helfen. Sie erschaffen hochwertige 3D-Replikas von Ölgemälden und anderen Kunstwerken. So kann buchstäblich eine identische Kopie des Monet oder Van Gogh ausgestellt werden und niemand würde den Unterschied bemerken. Das Original kann somit in einem Freeport aufbewahrt werden. Das ist eine relativ gängige und schonende Methode.
Ein guter Restaurator sollte auch ins Spiel kommen, der fachmännisch beurteilen kann, was für Kunstwerke vorhanden sind, wie sie platziert sind, welchen Lux-Stunden sie ausgesetzt werden können und wie der Verfallungsgrad gering gehalten werden kann.
A&W: Das Stichwort Freeport weckt die Frage nach der Versteuerung. Welche steuerlichen Auswirkungen hat es, Kunst auf internationalen Gewässern zu lagern?
Pandora: Dies ist ein komplexer Bereich, bei dem man sich steuerrechtlich beraten lassen sollte. In den meisten Fällen zählt die Kunst zum Betriebsvermögen eines Unternehmens, was gewisse Vorteile bringen kann. Nichtsdestotrotz hat jedes Kunstwerk einen so genannten UBO (ultimate beneficial owner). Das Thema Steuern erfordert meistens einen ganzheitlichen Ansatz beim Steuerberater. Erbschaftssteuer, Umsatzsteuer oder Kapitalertragsteuer können eine Rolle spielen. Umso wichtiger ist die richtige Dokumentation der Kunstwerke, insbesondere die Rechnungen und die Export- und Transportdokumente.
A&W: Man merkt, es sind viele Parteien involviert. An wen richten sich Ihre Workshops besonders?
Pandora: Meine Workshops richten sich an alle, die ihr Wissen über Kunst und den Kunstmarkt erweitern wollen. Es ist ein fantastischer Einstieg in die Frage, warum Kunst in unserer Gesellschaft wichtig ist. Aufbauend beleuchten wir die Grundlagen der Kunst, den Kunstmarkt an sich sowie spezielle Kunstsammlungen. Unsere Kurse sind für wirklich jeden, der mehr über Kunst erfahren möchte und gegebenenfalls in der Branche bereits arbeitet oder arbeiten möchte.
Ein gewisses Maß an Wissen über Kunst ist notwendig, sonst kann man sich unmöglich um die vorhande Kunst auf Yachten kümmern. Für die Branche sind es also Crewmitglieder, Purser, Kapitäne, Yachtmanager und Vermögensverwalter, die mit Kunden über Kunstportfolios sprechen. Es fehlt häufig schon das Wissen für einen wichtigen Small Talk. Es wirkt unprofessionell, wenn der Kapitän, der Vermögensverwalter oder der Chefsteward keine Auskunft über die Kunst geben kann, welche sich unmittelbar an Bord befindet.
Aber selbst sehr erfahrene und kunstaffine Personen finden die Vorträge bereichernd, da man nie auslernt und die Erfahrungen der Teilnehmer neue Erkenntnisse bringen. Ein häufiges Feedback ist, dass immer wieder Wissenslücken auftauchen und gefüllt werden.
A&W: Wie geht es weiter? Worauf dürfen wir uns freuen?
Pandora: In den letzten Jahren konnten wir mit Pandora Art Education Kursmaterial für 12 verschiedene Module zusammenstellen. Dazu zählen Themen wie „Art Appreciation“, Kunst-Management, Kunstversicherungen, Exportrisiken, EU-Regulierungen, Lizenzrechte oder Kunst-Due-Diligence. Damit legen wir die Basis für digitale Schulungen, die global gehalten werden können und die die Teilnehmer nach erfolgreicher Prüfung zertifizieren.
A&W: Von welchen Anekdoten können Sie uns berichten?
Pandora: Wenn die Kunst erst einmal an Bord ist, kann alles passieren. Ein Kollege berichtete, dass ein zeitgenössisches Kunstwerk im Wert von über 1 Million Euro zugeschnitten wurde, damit es in den dafür vorgesehenen Raum passt.
Es gab auch den Fall, dass ein Gemälde von Christo und Jeanne Claude von einem Superyacht-Kapitän ausgepackt wurde. Hier ist die Ummantelung ein integraler Bestandteil des Werkes.
A&W: Vielen Dank für die spannenden Einblicke und alles Gute weiterhin!