Was passiert in einer Rebschule?

Baumschulen kennt jeder. Was passiert aber in der Rebschule? Wir klären auf!
4 Jan, 2023

In Baumschulen werden Bäume gezogen. Ähnlich ist es auch bei der Rebschule. Hier entstehen Reben. Doch der Prozess ist nicht ganz so einfach, wie man sich das vorstellt. Anja Antes leitet gemeinsam mit ihrem Onkel Helmut Antes das Familienunternehmen Antes und beantwortete im Interview unsere Fragen.

Anja Antes und ihr Familienbetrieb

Anja, Heike und Reinhard Antes von der Rebschule Antes
Anja, Heike und Reinhard Antes

Das Familienunternehmen der Familie Antes beschäftigt über 30 Mitarbeiter. Neben dem Rebveredelungsbetrieb bewirtschaftet die Familie auch eigene Weinberge. Mit knapp 50 ha ist es die einzige Rebschule und der größte Weinbaubetrieb im Anbaugebiet der Hessischen Bergstraße. Die Töchter sind in die Fußstapfen des Vaters getreten und haben ihre Ausbildung an der Universität Geisenheim absolviert. Heute leitet Anja Antes den Betrieb gemeinsam mit ihrem Vater, wobei die ganze Familie mit anpackt. Anja hat Auslandserfahrung durch einen Aufenthalt auf einem Weingut in Portugal sammeln können, bevor sie 2014 ihren Abschluss in Geisenheim erhielt.

„Weinbau ist schon speziell, aber das Thema Rebenveredlung ist besonders speziell“

Anja Antes, Geschäftsführerin ANTES Weinbau-Service GmbH

Was passiert in der Rebschule?

Das ganze Thema wäre nicht so komplex, wenn es nicht die Reblaus gäbe. Diese hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ca. 100.000 ha an Rebfläche in Europa zerstört. Sie geht nicht nur an die Blätter, sondern auch an die Wurzeln der Rebstöcke. Nach Befall faulen und sterben die Wurzeln ab und dann die Rebe als Ganzes. Um davor zu schützen, setzte man auf die amerikanischen „Unterlagen“, das heißt, den unteren Teil des Rebstocks. Diese weisen eine stärkere Resistenz gegen den Reblausbefall auf.

Damit die Rebsorte allerdings die entsprechenden Trauben trägt, muss auf die Unterlage das sogenannte Edelreis. Die Auswahl des Edelreises bestimmt dann die Traubensorte. Dieses Verfahren nennt sich Pfropfrebenanbau. Seit 1925 ist dieser Anbau auch gesetzlich vorgeschrieben zum Schutz gegen die Reblaus.

Damit die Edelreiser und die Unterlagen gut zusammenwachsen, erfolgt ein „Omega“-Schnitt, der dafür sorgt, dass eine große Oberfläche der Schnittflächen entsteht. Dadurch können die Unterlagen besser mit den Edelreisern Nährstoffe austauschen und zusammenwachsen. Der Schnitt ist ein manueller Prozess, der sehr sorgfältig durchgeführt werden muss. Die Unterlage wird dann mit dem Edelreis ähnlich wie ein Puzzelteil verknüpft.

Omega Schnitt

Die Edelreiser sind in der Regel Klone von einem ausgewählten Rebstock. Diese werden in anerkannten Vermehrungsanlagen gezogen, welche stetig geprüft werden müssen. Dann werden die Ruten abgeschnitten und in kleine Stücke mit jeweils einem Austriebauge unterteilt. Dieses wird auf die Unterlage (wie oben beschrieben), gepfropft/veredelt. Dies ist die eigentliche Veredlung. Dadurch konzentriert sich das Wachstum später auf die Wurzelbildung und verschwendet keine unnötige Energie in die Blätterbildung. Wichtig ist auch, dass die Unterlage nicht austreibt.

Nach der Veredlung werden die Reben in feuchten Torf gesteckt, in dem die Schnittstelle schön zusammenwachsen kann. Dabei wird ihnen dann bei 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit ein paar schöne Sommertage vorgegaukelt. Dadurch konzentriert sich das Wachstum auf die Kallusbildung (auf das Zusammenwachsen) und verschwendet keine unnötige Energie in die Blätterbildung. Diese Energie wird später für die Wurzelbildung in der Rebschule gebraucht. Hier spricht man von der Vortreibphase, die in der Regel zwei Wochen dauert.

Um die jungen Reben zu schützen, bekommen die Reben im Anschluss ein Paraffinbad und werden dann „eingeschult“. Sie kommen also ins Feld und dürfen in der Erde Wurzeln ziehen. Für zusätzlichen Schutz sorgt hier eine Folie, unter der das Bewässerungssystem liegt. Der Anwuchs liegt bei etwa 75 Prozent.

Pflanzung nach Rebschulplan

Bei der Einpflanzung darf ein guter Rebschulplan nicht fehlen, da ca. 1,4 Millionen Reben im Familienunternehmen pro Jahr veredelt werden. Hier sollte es auf keinen Fall zu einer Vermischung kommen. Daher werden im Feld die einzelnen Rebparzellen beschriftet und mehrfach kontrolliert, da es auch immer zu natürlichen Mutationen kommen und ein Weißburgunder zum Grau- oder Spätburgunder und umgekehrt werden kann. Darum laufen Anja und ihre Schwester im Sommer auch alle Rebparzellen ab und kontrollieren die Bestände. Um den Ausfall zu bemessen, werden hier stichprobenweise verschiedene Veredlungspartien gezählt und hochgerechnet.

Was soll der Winzer pflanzen?

Doch die Arbeit der Rebschule ist viel umfassender als man denkt. Die Entscheidung, was im Weingut gepflanzt wird und bei der Familie Antes nachgefragt wird, spielt eine zentrale Rolle. Hierfür bietet Anja Antes eine eigene Beratungsdienstleistung. Boden, Mikroklima, Tiere, Steillage, Produktionsziele, Preissegment für den Verkauf sind nur Beispiele für viele wichtige Faktoren, welche die Winzer berücksichtigen müssen. Hierbei braucht man auch die geballte Expertise von allen Beteiligten.

Da nicht jeder Winzer optimalerweise zwei bis drei Jahre vorplanen kann, müssen Rebschulen auch auf verschiedene Trends setzen. Aktuell wird viel Rosé nachgefragt, so dass auch hierfür die perfekten Reben veredelt werden müssen. Im Gegenzug dazu werden rote Rebsorten wie beispielsweise Dornfelder reduziert. Vor allem liegt aber das Thema PIWI im Trend. Die Rebschule der Familie Antes setzt schon seit einigen Jahren auf PIWI und hat daher bereits einen großen Erfahrungsschatz aufgebaut.

Die Entscheidung, wo welche Rebe gesetzt wird, sollte gut überlegt sein, da auf einen Hektar bis zu 5.000 Reben wachsen können. Es gibt aber auch Winzer, die Reben bestellen, um tote Reben zu ersetzen oder eine Flurbereinigung zu machen. Deshalb kann die Nachfrage durch die Winzer sehr unterschiedlich ausfallen. So wird der Familie Antes sicher niemals langweilig, da sie immer vor neuen Herausforderungen stehen, die sie gemeinsam meistern.

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Marius Greb
Marius Greb
Geschäftsführer von Art & Wine Magazine - Nach einigen Jahren im Finanzwesen wechselte Marius Greb die Branche und befasst sich heute mit Kunst und Wein. Vor dem Start von Art & Wine Magazine startete er Entkorkte Kunst - eine Kombination aus Wein- und Malabenden. Sie möchten mit Marius in Kontakt treten? Schreiben Sie eine E-Mail an Marius@art-wine-mag.com

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