Im Gespräch mit Monika Reule

Vor welchen Herausforderungen stehen deutsche Winzer und welche Rolle spielen Digitalisierung, Gesetzgebung und der Klimawandel?
18 Dez, 2020
Monika Reule

Über Monika Reule

Monika-Reule

Wir hatten die Möglichkeit, Monika Reule ein paar spannende fachliche sowie persönliche Fragen zu stellen.

Die Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), Monika Reule, kümmert sich um die Förderung heimischer Weine. Seit mehreren Jahren lenkt sie mit den 40 Mitarbeitern des DWI die Strategie, Marketingmaßnahmen und die Qualitätssteigerung in der Branche. Als Vorstand vertritt sie vor allem die Interessen der Weinwirtschaft gegenüber der Politik und den Behörden. Die Öffentlichkeitsarbeit spielt dabei eine zentrale Rolle – sowohl im Inland wie Ausland.


Was begeistert Sie persönlich an der Arbeit beim DWI?

Zunächst einmal das Produkt selbst. Wein ist ein Kulturgut, das Menschen zusammenbringt und ich kenne keine Branche, bei dem die Erzeuger mit so viel Leidenschaft und Überzeugung hinter ihren eigenen Produkten stehen. Dafür weltweit Marketing machen zu dürfen, ist ein Geschenk, umso mehr, weil ich hier ein hochmotiviertes und kompetentes Team habe, mit dem die Zusammenarbeit sehr viel Spaß macht. Mit ständig neuen und kreativen Ideen versuchen wir, auch neue Wege zu gehen und gemeinsam die Weine unserer Erzeuger hierzulande und international weiter voranzubringen. Außerdem macht die besondere Stellung des Deutschen Weininstituts als Schnittstelle zu allen Beteiligten in der Weinwirtschaft einen besonderen Reiz meiner Arbeit aus. Es ist zwar nicht immer ganz einfach, allen Wünschen gerecht zu werden, aber das wäre ja sonst auch langweilig.

Wie steht der heimische Weinmarkt aktuell da?

Erfreulicherweise beobachten wir seit einigen Jahren bei den Verbrauchern einen verstärkten Trend zum Einkauf regionaler Produkte, von dem auch die heimischen Weine profitieren. Diese Entwicklung wurde durch die Corona-Pandemie nochmal verstärkt. Seit März hatten wir starke Absatz- und Umsatzsteigerungen im Lebensmitteleinzelhandel und vor allem im Onlinehandel.

Vinothek Saale Unstrut

Auch viele Erzeuger berichteten von mehr Bestellungen ihrer Kunden. Online-Weinproben tragen hier zur Gewinnung neuer Kunden, aber auch zur Kundenbindung bei. Betriebe, die ihre Weine schwerpunktmäßig in der Gastronomie vermarkten, oder vom Verkauf auf Weinfesten, in Straußwirtschaften oder sonstigen Veranstaltungen leben, mussten allerdings deutliche Einbußen hinzunehmen.

Vor welchen Herausforderungen stehen deutsche Weinerzeuger?

Deutschland ist das größte Weinimportland der Welt. Hinzu kommt, dass der Weinmarkt hierzulande weitestgehend gesättigt ist. Ein weiterer wettbewerbsverschärfender Aspekt ist die hohe Preissensibilität der Verbraucher. Dies zeigt der Durchschnittspreis von 3,12 € für einen Liter Wein, der im Lebensmitteleinzelhandel gezahlt wird, wo gut dreiviertel aller Weine eingekauft werden. Wenn man als Anbieter da gewisse Preisschwellen überschreitet, wird man schnell ausgelistet, zumal die anderen großen Weinnationen aufgrund von Absatzproblemen im eigenen Land versuchen, hier auf den Markt zu drängen.

Erfreulicherweise sind die Weinkonsumenten bereit, mehr für ihren Wein auszugeben, wenn sie ihn direkt beim Erzeuger oder im Weinfachhandel kaufen. Von daher versuchen wir mit unseren Aktivitäten unter anderem auch den Weintourismus zu stärken, um die Menschen in unseren tollen Weinlandschaften vor Ort im direkten Kontakt mit den Erzeugern von unseren Weinen zu begeistern.

Welche Rolle spielt der Klimawandel? Bietet er sogar eine Chance?

Die deutschen Weinerzeuger sind im Großen und Ganzen noch ein Gewinner des Klimawandels. Aufgrund der zunehmenden Erwärmung erreichen die Trauben höhere Reifegrade, was letztendlich zu besseren Weinqualitäten führt. Bis in die 70er Jahre haben die Trauben in manchen Jahren nur die Mindestreife erreicht. Insbesondere unsere Rotweine werden aufgrund einer besseren Farbausprägung und Reife gehaltvoller und wertiger.

Der Klimawandel bringt allerdings auch zunehmende Risiken für den deutschen Weinbau mit sich. So häufen sich etwa Wetterextreme wie Hagelschäden oder extreme Hitzeperioden, die immer öfter zu Sonnenbrand an Trauben führen, oder auch Starkregen, der Bodenerosion in Hanglagen zur Folge hat. Durch starke Trockenheit im Sommer leiden insbesondere jüngere Weinbergsanlagen unter Trockenschäden, so dass das Thema Bewässerung immer aktueller wird. Außerdem haben die deutschen Winzer mit neuen Schaderregern zu kämpfen, die man bislang nur in Südeuropa oder Asien kannte, wie etwa die Japanische Kirschessigfliege.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung?

Die Digitalisierung hat längst Einzug in die deutsche Weinwirtschaft gehalten und wird – wie in allen anderen Bereichen unseres Lebens – dort auch immer wichtiger. Im Weinkeller ist beispielsweise die digitale Temperatursteuerung der Weingärung oftmals bereits Standard. In der Außenwirtschaft wird derzeit stark an der Digitalisierung der Weinbergsparzellen gearbeitet, was Arbeitserleichterungen bei der geforderten Dokumentation der Weinbergsarbeiten mit sich bringt, aber auch den gezielteren Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemaßnahmen ermöglicht.

Außerdem nimmt die Bedeutung der digitalen Kommunikation im Weinvertrieb zu. Dies zeigt beispielsweise die stärkere Präsenz vor allem vieler junger Erzeuger in sozialen Netzwerken. Des Weiteren hat die Corona-Krise zu einem regelrechten kommunikativen Digitalisierungsschub geführt, etwa mit der Einführung virtueller Weinproben und der Einrichtung von Online-Shops.

Let's talk Wine Grauburgunder mit Eva C. Müller HJM Weine
Let’s talk WINE – Grauburgunder Weinprobe mit Eva C. Müller

Wie wichtig ist der Austausch mit dem VDP?

Der Austausch mit dem VDP ist für das DWI ebenso wichtig wie der mit allen anderen Organisationen der deutschen Weinbranche. Wir arbeiten seit vielen Jahren vertrauensvoll und konstruktiv mit dem VDP zusammen. Dabei versuchen wir, stets Synergien zu nutzen, um gemeinsam das Image und den Absatz unserer Weine im In- und Ausland weiter zu fördern.

Wie sieht das DWI das neue Weingesetz?

Eine stärkere Profilierung der Herkunft der Weine ist auch im Hinblick auf die bestehenden Qualitätssysteme in Europa, die damit in ganz Europa aber auch weltweit vergleichbar werden, aus unserer Sicht durchaus sinnvoll. Wichtig ist es, dass in den jeweiligen Anbaugebieten eine wirkliche Profilierung erfolgt sowie das neue System bundesweit einheitlich und einfach, d.h. für den Verbraucher auch nachvollziehbar ist. Wenn man die neuen Regelungen schlüssig und verständlich erklären kann, wird der Verbraucher sie schnell lernen und auch akzeptieren – Je schneller das geht, umso besser.

Herkunftsfpyramide Wein: v. oben nach unten: geschützte Ursprungsbezeichnung-Mosel, gesch. geogr. Angabe-Landwein Mosel, ohne geschützte Herkunft-Dt. Wein; 2. Pyramide: Lage-Trittenheimer Apotheke, Ort-Trittenheim, Region-Michelsberg, Anbaugebiet-Mosel.
Quelle: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

Ausblick: Wo steht Deutscher Wein in 5 Jahren?

Hoffentlich weltweit und im internationalen Vergleich ganz vorne. Unsere Weinerzeuger tun durch eine konsequente Qualitätsorientierung jedenfalls alles dafür. Dadurch, dass Deutschland eine eher kleine Weinbaunation ist und wir nur zehn Prozent unserer Menge exportieren wird das wahrscheinlich noch etwas länger dauern, aber das Ziel sollte man nicht aus den Augen verlieren. Gerade dieses Jahr hat gezeigt, dass es auch externe Entwicklungen geben kann, die zu erheblichen Marktverwerfungen führen können.

*** Bruttoexporte, inklusive Re-Exporten
Quelle: Deutsches Weininstitut, nach Angaben des Office International de la Vigne et du Vin, Paris

Wir arbeiten in Fünf-Jahres-Strategiezeiträumen, die den Rahmen für unsere Arbeit festlegen. Für den Zeitraum 2019 – 2023 ist es unser Ziel, zu verdeutlichen, dass deutsche Weine zu den besten Weinen der Welt gehören, die in ihrer regionalen Ausprägung und Vielfalt weltweit einzigartig sind und dadurch für die Erzeuger höhere, wirtschaftlich sinnvolle Preise rechtfertigen. Wir hoffen daher, dass in fünf Jahren mehr Menschen im In- und Ausland Weine deutscher Herkunft kennen und trinken und auch bereit sind, dafür angemessene Preise zu zahlen.

Können Sie von einer schönen Anekdote berichten?

Es sind eher viele kleine Anekdoten, die mich amüsieren. So drückte mir mein Pressesprecher z.B. bei meiner Vorstellung als Geschäftsführerin des DWi immer wieder ein Glas Wein in die Hand, das ich nicht trinken wollte und dann versucht habe irgendwo abzustellen. Nachdem wir dieses Spielchen eine Stunde gespielt hatten, raunte er mir dann zu, ich solle doch bitte endlich das Glas in der Hand behalten, die Fotografen wollten Bilder von mir mit einem Weinglas haben.

Es gibt auch Menschen, die mich ernsthaft fragen, wie das so ist, den ganzen Tag Weintrinken zu müssen. In meinem Büro stehen zwar ein paar sehr schöne Weinflaschen, aber ansonsten stehen da Aktenordner und Bücher und ich trinke fast nie Wein im Büro. Amüsant ist auch, dass ich seit ich beim DWI bin, keinen Wein mehr geschenkt bekomme, weil jeder meint, ich säße ja an der Quelle. Es ist zwar richtig, dass ich die Vielfalt und Qualität unserer Weine vielleicht besser kenne als jemand außerhalb unserer Branche, aber ich muss meine Weine privat genauso kaufen, wie jeder andere.

AUTOR:IN


Marius Greb
Marius Greb
Geschäftsführer von Art & Wine Magazine - Nach einigen Jahren im Finanzwesen wechselte Marius Greb die Branche und befasst sich heute mit Kunst und Wein. Vor dem Start von Art & Wine Magazine startete er Entkorkte Kunst - eine Kombination aus Wein- und Malabenden. Sie möchten mit Marius in Kontakt treten? Schreiben Sie eine E-Mail an Marius@art-wine-mag.com

MEHR WINE