Generation Riesling – ein Erfolgsmodell des DWI

Wer oder was verbirgt sich eigentlich hinter Generation Riesling? Steffen Schindler ist Mitbegründer der Initiative und wir konnten mit ihm sprechen.
15 Dez, 2020
Generation Riesling Team

Steffen Schindler

Steffen Schindler ist seit 26 Jahren beim Deutschen Weininstitut, Bodenheim, beschäftigt und verantwortet dort das Marketing für deutsche Weine im In- und Ausland. Er stammt aus einem Weindorf in der Pfalz und lebt heute in einem Weindorf in Rheinhessen. Dazwischen hat er in Mainz, England, Frankreich und Schottland Sprachen studiert. Seine Lieblingsrebsorten sind derzeit Silvaner beim Weißwein, Frühburgunder beim Rotwein und Rieslaner bei edelsüßen Weinen. Das kann sich allerdings je nach Wetter, Anlass und innerer Verfassung stündlich ändern…

Steffen Schindler, Marketingleiter des Deutschen Weininstituts und Gründer von Generation Riesling
Foto: Steffen Schindler – Deutsches Weininstitut

Wie entstand die Initiative?

Ihre Premiere hatte die Generation Riesling 2006 in London. Das Image deutscher Weine war in Großbritannien damals sehr altmodisch und verstaubt, und selbst Fachleuten war entgangen, dass sich in unseren Anbaugebieten eine Qualitätsrevolution anbahnte bzw. schon in vollem Gange war. Also nahmen wir ca. 25 Jungwinzerinnen und –winzer und ihre Weine mit in eine trendige Location in der britischen Hauptstadt – und es hätte nicht besser laufen können! Die britischen Sommeliers, Journalisten und Weinhändler entdeckten ein ganz anderes „Wein-Deutschland“: jung, dynamisch, ehrgeizig – und irgendwie „cool“. Selbst Jancis Robinson – schon damals eine der wichtigsten Weinautorinnen der Welt – war beeindruckt.

Was waren anfängliche Herausforderungen? Worin liegen die aktuellen Herausforderungen?

Wir versuchen schon immer, die Eintrittshürden zur Mitgliedschaft so gering zu halten wie möglich. Man muss nur ein Profil hochladen und schon ist man Mitglied. Die Mitglieder tragen stark selbst zum Erfolg der Initiative bei. Viele Ideen entstanden und entstehen im gemeinsamen Diskurs zwischen den Mitgliedern und dem DWI. Das liegt vor allem an dem frischen Wind, den die JungwinzerInnen mitbringen.

Natürlich fühlt sich jeder gerne jung, trendig und cool, selbst in meinem Alter. Also mussten klare Regeln her, schließlich konnte man nicht jeden Weinerzeuger vorsprechen lassen, um zu entscheiden, wer Mitglied werden darf und wer nicht. Wir legten relativ willkürlich fest, dass man bis zum Alter von 35 Jahren an den Veranstaltungen teilnehmen darf und dass man zum 36. Geburtstag dann eine Abschiedskarte vom Deutschen Weininstitut erhält. Deswegen gab es damals durchaus etwas Unmut, aber diese klare Regel ist längst akzeptiert. Ich denke, dass die gesamte Weinbranche mittlerweile eingesehen hat, wie sehr wir mit diesem dynamischen Projekt das Image des deutschen Weinbaus insgesamt modernisiert haben.

Heute liegt eine der größten Herausforderungen in der großen Anzahl von ungefähr 550 Mitgliedern und in der Tatsache, dass sich deshalb nicht alle in gleichem Maße an den Aktivitäten der Generation Riesling beteiligen können. Bei einer Präsentation haben wir eben nur eine begrenzte Anzahl an Tischen, und so müssen wir heute bei fast allen Maßnahmen leider mehr Ab- als Zusagen verschicken – wir sind hier etwas Opfer unseres eigenen Erfolges. Und jede Absage tut uns tatsächlich selbst weh.

Daher haben wir den Anspruch, noch mehr für unsere heimischen Jungwinzer zu tun. Den Ball flach zu halten, ist für uns keine Option. Sowohl im Endkunden- wie auch im B2B-Bereich legen wir uns ins Zeug, um die Vermarktung der heimischen Weine zu fördern. Aufgrund des begrenzten Budgets müssen wir hier besonders gut wirtschaften. Dabei ist es aber sehr erfreulich, welche enorme Sichtbarkeit sich auch bei einem Event mit geringem Budget entfalten kann.

Im Bereich Social Media sehen wir noch viel Potential. So haben wir zum Beispiel mit unserer Takeover-Kampagne Jungwinzern die Möglichkeit gegeben, einen Tag den Instagram-Account zu übernehmen und ganz authentisch über den eigenen Betrieb zu berichten. Auch das Hashtag #musikfuerdiezunge kommt super an!

Instagramprofil der Generation Riesling
instagram.com/generationriesling/

Wie ist das Feedback von den JungwinzerInnen?

Wir legen großen Wert auf ein ungeschöntes und ehrliches Feedback, denn nur so kann man Maßnahmen optimieren. Nach jeder Aktivität verschicken wir einen Fragebogen an alle Teilnehmer und zum Teil sogar an die Gäste und haben a) meist einen sehr guten Rücklauf und b) enorm viel positives Feedback – bei aller Kritik an einzelnen Punkten. Eigentlich müssten wir immer eine Flasche Sekt öffnen, wenn wir wieder einmal 100 % Zustimmung erreichen.

Darüber hinaus laden wir alle Mitglieder jedes Jahr im November zu unserem „DWI Forum Generation Riesling“ in wechselnden Anbaugebieten ein, blicken dort gemeinsam kritisch auf die Maßnahmen der letzten Monate zurück und sammeln Ideen für Aktivitäten im neuen Jahr.

Direktes Feedback seitens der Winzer gibt es natürlich auch wie hier:

Liebe Katharina,

rückblickend auf die ca. 6-jährige Mitgliedschaft bei Generation Riesling muss ich Dir und Team ein ganz großes Dankeschön aussprechen. Klar, die Orga der Events und top Kommunikation sind bekannt und bei euch gelebte Kultur. Für mich als Jungwinzer mit komplett neuem Konzept haben in Konsequenz die Kontakte und Events wie z.B. Messe in Hamburg richtig Früchte getragen. Es sind daraus starke Geschäftsbeziehungen entstanden, die ich heute nicht missen möchte. Dem Ziel Württemberger Wein „reloaded“ national durch mein Weingutskonzept HIRSCH IST WILD in die Gläser zu bringen, bin ich definitiv näher gekommen. Ihr seid ein 1A Kommunikator und Türöffner für die nachwachsende Winzergeneration.

Chapeau & weiter so!

Christian Hirsch von HIRSCH IST WILD über Generation Riesling

Welche Erfolge konnte Generation Riesling bereits erzielen?

Hier muss man zwei Zielsetzungen unterscheiden – zum einen das Anliegen des Deutschen Weininstituts, das Image unserer Weine zu verbessern – und zum anderen das Ziel der jungen WeinerzeugerInnen, die Generation Riesling als Sprungbrett für das eigene Unternehmen zu nutzen. Nach 14 Jahren kann man sagen, dass beides funktioniert. Heute sind viele der „jungen Wilden“ von einst längst angekommen und stehen mit zwei, drei oder vier Sternen/Trauben in den einschlägigen Weinführern. Andere haben im In- und Ausland Weinhändler gefunden, die ihre Weine listen, oder wurden in Weinkarten von sehr guten Restaurants aufgenommen. Die Teilnahme an den Veranstaltungen der Generation Riesling waren hier sicherlich ein erster wichtiger Schritt auf diesem Weg.

Pro Wein Stand der Generation Riesling Stand
Foto: Deutsches Weininstitut – Generation Riesling bei der Pro Wein Messe

Welche kreativen Ideen wurden bereits umgesetzt?

Wir spielen hier natürlich die ganze Klaviatur des Marketings und der PR. Ganz wichtig ist dabei das Storytelling. Die meisten Verbraucher interessieren sich herzlich wenig für Oechslegrade, Mikro-Einzellagen oder Gärverfahren. Sie begeistern sich für die Menschen hintern den Weinen – und deren Geschichten kann man heute dank sozialer Medien natürlich besser erzählen denn je.

Den größten Aha-Effekt haben wir, wenn junge Endverbraucher auf junge WinzerInnen treffen – und meist nicht glauben können, dass ein Winzer nicht unbedingt ein 60-jähriger „Grufti“ sein muss, sondern dass das eben auch junge, moderne Menschen mit den gleichen „Klamotten“, dem gleichen Musikgeschmack und ähnlichen Tattoos sind. Deshalb haben wir zum Beispiel einen alten Pferdeanhänger in Generation Riesling-Optik umbauen lassen und stehen damit auf Musikfestivals. Einmal war eine junge Besucherin eines Festivals so überrascht, dass sie fragte, ob sie den Jungwinzer auch anfassen darf.

Für Fachleute veranstalten wir z.B. Events wie winebiking oder winehiking. Wir laden Sommeliers und Weinhändler nach Berlin, Hamburg, Köln… ein, um mit uns und einigen JungwinzerInnen durch die Stadt zu radeln oder zu wandern und an verschiedenen spannenden Orten Weine zu verkosten. Ziel ist es, eine professionelle Veranstaltung mit Spaß und einem bleibenden Erinnerungsfaktor aufzuladen.

Welche Rolle spielen Events im Ausland?

Ehrlich gesagt würden wir gerne noch viel mehr Aktivitäten mit der Generation Riesling durchführen, gerade auch in Ländern, in denen wir noch nicht so ein modernes Image aufbauen konnten. Aber wir dürfen auch nicht unsere Weinerzeuger vergessen, die schon etwas reifer sind. Diese haben natürlich auch einen berechtigten Anspruch auf Maßnahmen, an denen sie sich beteiligen können. Deshalb organisieren wir in der Regel pro Jahr nur ein Generation Riesling Event in jedem Auslandsmarkt, in dem wir präsent sind – und das sind derzeit 14. Der absolut überwiegende Teil der Aktivitäten steht aber weiterhin allen Erzeugern offen.

Generation Riesling Event mit Toni Askitis
Foto: Deutsches Weininstitut – Generation Riesling Events

Wird die Plattform von JungwinzerInnen genutzt, um den Austausch untereinander zu fördern?

Das ist tatsächlich einer der schönsten Nebeneffekte der Generation Riesling – der Austausch untereinander. Im Rahmen unseres jährlichen DWI Forum Generation Riesling lassen wir immer auch genügend Zeit, damit sich die jungen Leute aus den verschiedenen Anbaugebieten kennenlernen können. Hier sind längst Freundschaften entstanden und neue Formen der Kooperation über die Gebietsgrenzen hinweg. Allerdings warten wir noch immer auf eine erste Generation Riesling-Ehe!

Austausch Winzer:innen von Generation Riesling
Foto: Deutsches Weininstitut – JungwinzerInnen im Austausch

Schöne Beispiele: Ein Winzer erfährt von seinem Weinhändler, dass dieser noch einen Wein aus einem anderen Anbaugebiet sucht für sein Portfolio, und empfiehlt dann natürlich einen Kollegen oder eine Kollegin aus der Generation Riesling. Oder eine Winzerin lädt einen Kollegen aus einem anderen Gebiet als Gast zur eigenen Weingutspräsentation ein. Das Meiste lernt man ja bekanntlich immer beim informellen Austausch untereinander.

Gerade der fachliche Interaktion hat sich im Laufe der Jahre enorm verbessert. Früher hatte die ältere Generation Angst, dass der Nachbar einen Blick in den Weinkeller wirft. Heute laden viele Winzer andere Winzer ein, um gemeinsam den Wein zu verkosten, die Qualität zu steigern und von einander zu lernen.

Was passiert mit Personen über 35 – gibt es einen „Generation Riesling Alumni Pool“?

Das ist eine Frage, mit der wir uns schon lange beschäftigen und auf die wir leider noch keine Antwort gefunden haben. „Generation Spätlese“? Hört sich einfach nicht so cool an. Wir sagen dann immer, dass man mit 36 alt genug sein muss, um auf eigenen Füßen zu stehen. Die Tatsache, dass wir trotzdem ein starkes Mitglieder-Wachstum verzeichnen, zeugt von einer klaren Message: Die Plattform fördert gezielt JungwinzerInnen. Das wäre ohne die Altersbeschränkung nicht möglich.

Gibt es Anekdoten, von denen Sie berichten können?

Die Fantastischen Vier wollten zu ihrer „Captain Fantastic“ Tour 2019 unbedingt offizielle Backstage-Weine der Generation Riesling. Wir haben die jungen WinzerInnen deshalb aufgefordert, uns Probeflaschen zu schicken, aus denen die Künstler dann einen Rotwein (vom Weingut Mussler in Großkarlbach) und einen Weißwein (vom Weingut Mehling in Deidesheim) ausgewählt haben. Für die junge Winzerin Kathrin Otte vom Weingut Mehling erfüllte sich dadurch ein Traum, denn sie durfte Backstage den von ihr verehrten und tatsächlich auch sehr weininteressierten Smudo treffen und ausführlich mit ihm über Riesling, Spätburgunder etc. fachsimpeln.

Was ist für die Zukunft geplant?

Tja, das ist derzeit leider alles etwas vage. Wir gehen gerade davon aus, dass wir wegen des Lockdowns in den kommenden Monaten keine Präsenzveranstaltungen durchführen können: keine Informationsreisen mit Medienvertretern in die Anbaugebiete zum Beispiel oder Weinpräsentationen in Hamburg, München oder Köln. Auch Musikfestivals stehen erst einmal nicht auf dem Plan. Deshalb sind wir derzeit in einem kreativen Prozess, um neue Formate zu entwickeln – sowohl für Endverbraucher als auch für Fachleute. Lassen Sie sich überraschen. Das Generation Riesling Team im DWI freut sich jedenfalls auf die neuen Herausforderungen.

AUTOR:IN


Marius Greb
Marius Greb
Geschäftsführer von Art & Wine Magazine - Nach einigen Jahren im Finanzwesen wechselte Marius Greb die Branche und befasst sich heute mit Kunst und Wein. Vor dem Start von Art & Wine Magazine startete er Entkorkte Kunst - eine Kombination aus Wein- und Malabenden. Sie möchten mit Marius in Kontakt treten? Schreiben Sie eine E-Mail an Marius@art-wine-mag.com

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