Upcycling-Kunst: Werke aus der Serie „Zwischenräume“ von Annett Wagner | Foto von Annett Wagner
Schönheit aus Schrott: Wie Upcycling-Kunst eine nachhaltige Zukunft gestaltet
Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit haben an Bedeutung gewonnen. Und die Kunst erweist sich dabei als kraftvolle Stimme des Wandels. Eine besonders spannende Bewegung innerhalb dieser Entwicklung ist das Upcycling in der Kunst – die kreative Umwandlung von Abfallmaterialien in wertvolle Kunstwerke. Doch was steckt hinter diesem Trend? Und was bewegt Kunstschaffende, die sich dem Upcycling verschrieben haben?
Die Geschichte und Bedeutung von Upcycling in der Kunst
Upcycling hat seine Wurzeln in Zeiten, in denen Ressourcen knapp waren und Menschen gezwungen waren, erfinderisch mit dem Vorhandenen umzugehen. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür bieten die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Kunstwerke, die aus recycelten Materialien gefertigt wurden. Die Künstler*innen nutzten das, was nach den Zerstörungen des Krieges übriggeblieben war, um Kunst zu schaffen, die sowohl symbolisch als auch praktisch war.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist der französische Künstler Jean Dubuffet, der nach dem Krieg die Bewegung der „Art brut“ prägte. Dubuffet sammelte Schrott und Holzreste in den Straßen von Paris. Und er verwandelte sie in kraftvolle Kunstwerke. Seine Werke stellten eine Abkehr von der traditionellen Kunstpraxis dar und hoben die Schönheit und den Wert von Materialien hervor, die vermeintlich nutzlos waren. Diese Praxis symbolisierte auch die Wiedergeburt und den Widerstandswillen in einer Zeit des Wiederaufbaus und zeigte, wie Kunst aus Trümmern entstehen kann.
Mit der zunehmenden Umweltkrise und der Verschärfung der Ressourcenknappheit hat sich das Upcycling zu einer bewussten Entscheidung entwickelt. Kunstschaffende vermitteln so eine Botschaft über die Dringlichkeit, unseren Umgang mit Ressourcen zu überdenken. Sie fordern dazu auf, die Art und Weise, wie wir unsere Umwelt betrachten, zu verändern.
Upcycling heute: Beispiele zeitgenössischer Kunstschaffender
Ein bemerkenswertes Beispiel für Upcycling in der Kunst ist der ghanaische Künstler El Anatsui. Anatsui ist weltweit bekannt für seine monumentalen Wandteppiche, die er aus recycelten Flaschenverschlüssen und Aluminiumverpackungen fertigt. Diese Werke sind nicht nur ästhetisch beeindruckend, sondern auch tiefgründig, da sie die Geschichte des Kolonialismus, des Handels und der Umweltverschmutzung reflektieren. Seine Arbeiten zeigen, wie Kunst aus scheinbar wertlosen Materialien geschaffen werden kann, um kraftvolle kulturelle und politische Aussagen zu treffen.
Auch Aurora Robson, eine Künstlerin aus Kanada, wandelt Plastikmüll in skulpturale Kunstwerke um. Robson nutzt ihre Werke, um auf die Gefahren der Plastikverschmutzung aufmerksam zu machen und gleichzeitig die Schönheit und das Potenzial dieser Abfälle aufzuzeigen. Ihre Arbeiten ermutigen Betrachtende, über die Auswirkungen unserer Wegwerfgesellschaft nachzudenken.
Die Brandenburger Künstlerin Annett Wagner ist ebenfalls auf Upcycling-Kunst spezialisiert. Im Gespräch sagt sie folgendes zu ihrer Motivation: „Die Perspektive wechseln und neu denken: Diese Impulse sollen meine Collagen den Betrachtenden geben und Upcycling als wertvolle Teillösung für mehr Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen aufzeigen.“
Für Annett Wagner sind dabei verlassene Orte, an denen Natur und Architektur miteinander verschmelzen, ein universelles Sinnbild für die unermüdliche Kraft der Natur und zugleich ein Zeichen für den stetigen Wandel, dem wir unterworfen sind. Sie macht diese Orte sichtbar, um das Bewusstsein für die erforderliche Transformation unseres Handelns und Denkens zu schaffen.
Die Künstlerin sagt: „Unweigerlich kommt in meiner Kunst die Frage auf: Warum hat man das verfallen lassen? Diese Frage regt die Betrachtenden bestenfalls zur Reflexion über den Umgang mit unserer Umwelt an.“
Annett Wagner nutzt hauptsächlich Visitenkarten, weitere Altpapiere und Sperrholzplatten für ihre Kunst. Dies ergänzt perfekt ihre Motivwahl. Sie zeigt so auch über das Material, dass ressourcenschonendes Arbeiten und Wirken auf allen Ebenen möglich sind.
Mein persönlicher Blick auf das Thema
Abfall gibt es nicht. Als Künstlerin hat sich mein Blick geschärft. Ich sehe überall Potenzial für Kunst. Es ist faszinierend, was man alles entdecken kann, wenn man nur anders hinsieht. Die Frage ist, wo ich meine Aufmerksamkeit hinlenke und mit welchem Fokus ich das tue.
Silvester, vor einigen Jahren: Der Himmel leuchtet, Korken knallen, am nächsten Morgen die Reste. Ich mache den traditionellen Neujahrsspaziergang. Plötzlich liegt sie da: eine kleine, unscheinbare, schwarze Plastikbatterie – Zeugnis der Feierlichkeiten.
Diese Batterie weckt meine Neugier. Ich sehe Möglichkeiten und nehme sie mit. Im Atelier beginnt die Metamorphose meines Fundstücks. Jahre später ist dieser Plastikmüll zu einem unverzichtbaren Werkzeug für mich geworden, mit dem ich Linien und Muster ziehe.
Mein Kunststil – Modern Urban Geometrics – basiert vielfach auf Linien, Strukturen und geometrischen Formen. Werkzeuge für diesen Stil sind nicht allesamt im Fachhandel erhältlich.
Mit einem kreativen Blickwinkel kann der „Müll“ von gestern zum Schatz von heute werden. Wie meine Kunst, die sich auch mit Perspektiven, neuen Wegen, der Freude am Entdecken und der Veränderung beschäftigt, illustriert auch diese Batterie, dass die Art, wie wir Dinge betrachten, alles verändern kann. Für mich steckt in diesem simplen Fund noch mehr: Dieses Werkzeug steht für die Möglichkeit der Transformation und erinnert daran, offen für Veränderung und Wachstum zu sein.
Erfahre, wie du selbst ins Upcycling einsteigen kannst. Lies jetzt auch unseren Artikel „Dein Start ins Upcycling: Drei kreative Tipps für nachhaltige Projekte“.