Künstler*innen im Fokus: Sanja Henning

Physiotherapeutin, Musikerin und Künstlerin - Sanja Henning lässt sich durch ihre Umwelt inspirieren und vermittelt ihre Botschaften durch die Kunst.
30 Aug, 2022
Sanja Henning und ihre Kunst

Sanja Henning

Was macht Sanja Henning eigentlich nicht? Diese Frage wäre wahrscheinlich einfacher zu beantworten. Denn Sanja Henning ist nicht nur Künstlerin, sondern arbeitet auch seit mehreren Jahren als Physiotherapeutin. Hinzu kommt, dass sie im zweiten Master-Semester für Kunst an der HFBK Hamburg eingeschrieben ist und nebenher noch auf Lehramt studiert.

Zur Kunst kam Sanja Henning erst etwas später. Ihr familiäres Umfeld bewegte sie im Teeniealter dazu, Schlagzeug, Gitarre und Klavier zu lernen – natürlich begleitet durch den eigenen Gesang. Das wundert einen nicht, da die Eltern und der Bruder Berufsmusiker sind. Der künstlerische Einfluss kommt jedoch von Seiten der Pateneltern, welche beide Künstler sind.

Durch eigene Musiktexte konnte Sanja ihr Mitteilungsbedürfnis stillen. Allerdings ist die musische Vermittlung deutlich schwieriger und eingeschränkter als die der Kunst. Darum entschloss sie sich, künstlerisch aktiv zu werden.

Werke von Sanja Henning
Buch „Befunde“ 2021, Sammlung von Befunden zum Thema verdrängter Emotionen

Ich hatte schon immer ein großes Mitteilungsbedürfnis. Die Kunst gibt mir dabei die Freiheit, eine Botschaft zu senden und Raum für Interpretation zu lassen.

Sanja Henning

Hautnahe Arbeit mit Menschen

Hauptberuflich ist Sanja Henning in den letzten Jahren als Physiotherapeutin tätig gewesen und hat dabei viele Erfahrungen mit Menschen gesammelt. Erfahrungen, die sie mit forschendem Interesse aufgreift und die auch in ihrer Kunst widergespiegelt werden. Denn in über zehn Jahren hat Sanja über 10.000 Körper angefasst, wie sie sagt, und in vielen Fällen etwas ganz Eigenartiges gespürt: ein schwer zu beschreibendes Gefühl, das anatomisch nicht erklärt werden kann.

Doch nach intensiven Gesprächen mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen wurde ihre Wahrnehmung immer wieder bestätigt. Vor allem KollegInnen, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, merken, dass sich diese Phänomene zwar wahrnehmen, aber durch fehlendes Vokabular schlecht beschreiben lassen. Auch Patienten finden in der Umschreibung ihrer Beschwerden oft nicht die passenden Vokabeln. Zu hören bekommt man: „Massier mich und heil mich!“. Vielleicht braucht es aber auch einfach benennende Worte, um das Problem hinter den Schmerzen zu lösen statt lediglich die Verspannungen selbst. Diesen blinden Fleck nimmt Sanja ebenfalls in ihrer Kunst auf.

Die Kunstwerke

Die Arbeit von Sanja ähnelt der einer Konzeptkünstlerin. Denn sie weiß, was sie machen möchte, und hat eine Vorstellung, wie ihre Botschaft vermittelt werden soll. Dennoch ist es ein intuitiver Prozess. „Einfach mal starten. Dann sind auch Pausen wichtig, um kognitiv zu reflektieren. Der Wechsel zwischen Bauch- und Kopfentscheidungen führt dann zum gewünschten Ergebnis. Das klappt am besten für mich“, so Sanja Henning.

Viel passiert auch unterbewusst. Es ist eine wilde Mischung. Der rege Austausch mit ihrer Mentorin Jorinde Voigt und ihren KommilitonnInnen hat einen großen Stellenwert für Sanja. Jorinde Voigt stellt auch Kontakte zu erfolgreichen Künstlern her, wofür Sanja sehr dankbar ist. Es bringt sie voran. Die unterschiedlichen Perspektiven bereichern und inspirieren gleichermaßen. Aha-Momente kommen auf und können in die Kunst eingearbeitet werden.

Inspirieren lässt sich Sanja auch von ihren LieblingskünstlerInnen Egon Schiele, Francis Bacon, Georgia O’Keeffe oder Alice Neel. Dabei fasziniert sie vor allem die Farb- und Bildgestaltung der Werke.

Bezüglich der Materialien ist Sanja aufgeschlossen, bevorzugt aber erstmal „Materialien mit Flow“, wie sie es beschreibt. Acryl, Kreide, Graphit, Papier finden sich in ihrem Portfolio wieder. Das sorgt für eine Vielfalt an Resultaten. Etwas selbstkritisch gesteht Sanja sich ein, dass es vielleicht auch etwas Bequemlichkeit ist. Denn Öl und Leinwand bremsen sie aus durch das ständige Abwarten. Es hindert den freien Lauf.

Dabei zieht sich jedoch stets ein roter Faden durch ihre Arbeiten. Die Reduktion auf das Wesentliche taucht immer auf. Der Mensch spielt die zentrale Rolle. Ein Grund dafür ist mit Sicherheit die prägende Berufserfahrung. Zu den aufgegriffenen Themen zählen beispielsweise sexuelle Gewalt, Kinderschutz, Feminismus oder Hilfe zur Selbsthilfe. Die Kritik am Gesundheitssystem wird ebenfalls deutlich gemacht durch ihre Werke.

Die Kunst verhalf Sanja auch dazu, ihre Kritik gerade in Bezug auf den Feminismus konstruktiv statt wütend zu äußern. Damit setzt sie politische Statements, ohne dabei ihre Kunst komplett auf die Politik zu reduzieren. Den BetrachterInnen bleibt dadurch auch immer Spielraum für den eigenen Dialog und die ganz eigene Interpretation. Dabei erkennt man deutlich, dass Sanja Henning es schafft, mit ihren Werken den blinden Fleck zu treffen und prägnante Themen zu adressieren.

Eines ihrer Werke beschäftigt sich mit dem Thema der Selbstverantwortung und der Heilung. Inspiriert durch ihre Arbeit als Physiotherapeutin schuf Sanja Henning ein Audio-Werk mit dem Titel Idiopathie. Zum Werk gehört eine Massageliege, auf die man sich legen und durch das Gesichtsloch die Kurzgeschichten hören kann. Hier könnt ihr hereinhören und erfahren, was häufig nicht ausgesprochen wird und doch eine wichtige Botschaft beinhaltet: https://mediathek.hfbk.net/de_DE/l2go/-/get/v/269

Der Blick nach vorne

Sanjas Werke werden bereits jetzt in Hamburg und Berlin ausgestellt. Ihr großer Traum ist es, mal in der König Galerie vertreten zu sein. Wir drücken ihr die Daumen! Folgen können wir Sanja Henning via Instagram unter @sanja_henning

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Marius Greb
Marius Greb
Geschäftsführer von Art & Wine Magazine - Nach einigen Jahren im Finanzwesen wechselte Marius Greb die Branche und befasst sich heute mit Kunst und Wein. Vor dem Start von Art & Wine Magazine startete er Entkorkte Kunst - eine Kombination aus Wein- und Malabenden. Sie möchten mit Marius in Kontakt treten? Schreiben Sie eine E-Mail an Marius@art-wine-mag.com

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