Nina Buhne von Sotheby’s über das Auktionsgeschäft

Nina Buhne kam 1987 zu Sotheby’s und arbeitet als Senior Director eng mit dem Managing Director von Sotheby’s Deutschland zusammen. Sie ist seit 1990 Leiterin des Frankfurter Büros. In dieser Funktion war sie an allen großen Auktionen von Sotheby’s in Deutschland beteiligt, einschließlich der Sammlungen Thurn und Taxis und Baden-Baden, und trug zu allen Londoner […]
7 Jul, 2020
Nina Buhne – Senior Director, Head of Office Frankfurt

Nina Buhne kam 1987 zu Sotheby’s und arbeitet als Senior Director eng mit dem Managing Director von Sotheby’s Deutschland zusammen. Sie ist seit 1990 Leiterin des Frankfurter Büros.

In dieser Funktion war sie an allen großen Auktionen von Sotheby’s in Deutschland beteiligt, einschließlich der Sammlungen Thurn und Taxis und Baden-Baden, und trug zu allen Londoner Sotheby’s-Verkäufen deutscher Kunst des 20. Jahrhunderts bei. Im Laufe ihrer Karriere hat Frau Buhne enge Beziehungen zu Sammlern, Künstlern und Händlern aufgebaut. Zuvor war Frau Buhne für eine Großbank in Brüssel, Frankfurt und London tätig.

Was hat Sie dazu bewegt, im Kunstmarkt zu arbeiten?

Eine interessante Frage. Spontan würde ich sagen, Sotheby’s hat mich immer schon fasziniert und während ich in London lebte, hatte ich Gelegenheit Auktionen mitzuerleben. Das hat meinen Wunsch, bei Sotheby’s als einem der größten Akteure des Kunstmarkts zu arbeiten, verstärkt. Besonders spannend finde ich jetzt die weitere Entwicklung, die durch die Digitalisierung angestoßen wird. Innovation trifft auf Tradition.

Welchen Stellenwert hat die Beziehung zu Künstlern und Kunstsammlern?

Es gibt durchaus Synergien zwischen Künstlern und Sammlern, denn Sammler sind die First Mover oder meinungsbildend, wobei alles subjektiv geprägt ist. Nehmen wir ein Beispiel aus der Geschichte: die Medicis waren im 15. Jahrhundert eine der bekanntesten und einflussreichsten Mäzene der Künstler und der Kunst. Heute hat sich durch die Technologien viel verändert. Das Internet und Instagram begünstigt den Kunstbetrieb. Die Transparenz ist international deutlich größer.

Sothebys.com – Studio of Agnolo Bronzino, Florence 1503 – 1572, Portrait of Cosimo de Medici, Grand Duke of Tuscany

Vor welchen Herausforderungen stehen Auktionshäuser momentan?

Das Auktionsgeschäft ist ein People-Business. Durch die aktuelle globale Einschränkung der Reisemöglichkeiten kam es automatisch zum Social Distancing zwischen uns und unseren Kunden. Dies war eine Herausforderung, doch eine lösbare.

Wie geht Sotheby’s Deutschland mit Corona um? Hat sich der Markt verändert? Gibt es mehr oder weniger Angebot/Nachfrage?

Zum Zeitpunkt der Lockdowns waren unsere Büros weltweit natürlich geschlossen, wie überall auf der Welt. Das Team in Deutschland, so auch das Büro in Frankfurt in der Mendelssohnstraße, befand sich im Homeoffice. Zu dieser Zeit lief jedoch das globale Geschäft von Sotheby’s weiterhin so normal wie möglich. Wir haben die verbliebenen Live-Auktionen in Absprache mit den Verkäufern in Onlineauktionen umgewandelt, die sehr erfolgreich waren. Seit dem 20. März, dem Zeitpunkt der Lockdowns, hat Sotheby’s mit 9.000 Lose in 112 weltweit platzierten Online-Auktionen einen Umsatz von über 205 Millionen Dollar realisiert.

Sothebys
Sothebys.com

Seit nun mehr zwei Monaten stehen wir wieder persönlich an den Standorten in Frankfurt/Main, München, Köln, Hamburg und Berlin zur Verfügung. Fünf Tage die Woche kann jeder Interessierte das jeweilige Büro kontaktieren, wenn es um eine kostenlose Schätzung geht oder das Interesse besteht, online mitbieten zu wollen. Allerdings gelten selbstverständlich auch bei uns zum Schutz der Gesundheit des Kunden und der unserer Mitarbeiter die länderspezifisch vorgeschriebenen Hygienevorgaben. Jede Kundin, jeder Kunde muss den Besuch vorab telefonisch oder per Email anmelden. Offen gesagt, es war durchweg Business as usual, vielleicht ein wenig entschleunigter und verdichteter.

Wie verhält sich der Deutsche Kunstmarkt im internationalen Vergleich?

Vom Grunde ist der deutsche Kunstmarkt ein integraler Bestandteil des internationalen Kunstmarktes und verhält sich mehr oder weniger gleichlaufend. Im Bereich der Auktionen von Kunst wird dabei Deutschland oft direkt hinter China,USA, Großbritannien und Frankreich genannt.

Gibt es Objekte, die Sie eher nach London, Paris oder in die USA schicken, um sie dort zu versteigern?

Wir haben ein Netzwerk von 80 Niederlassungen in 40 Ländern mit internationalen Experten, die 70 Kategorien betreuen, und immer im Blick haben, wie die jeweilige Auktion kuratiert wird. Wichtig ist, beurteilen zu können, wo der Markt für ein Werk von zum Beispiel Gerhard Richter, Cy Twombly, Martin Kippenberger, Ernst-Ludwig Kirchner oder eine Armbanduhr von Lange & Söhne oder Juwelen von Cartier ist, um für unsere Kunden den bestmöglichen Preis zu erzielen. Daher besprechen wir im Team den idealen Verkaufsort für jedes Werk.

Sotheby's Locations
Sothebys.com

Zeichnen sich gewisse Trends in Deutschland und international ab?

Die Nachfrage nach Qualität, Marktfrische und Seltenheitswert kombiniert mit einer lückenlosen Provenienz ist und bleibt immer relevant. Hier kann man durchaus von einem bestehenden Trend sprechen. Dieser Trend zieht sich durch alle Sammelkategorien.

International geht ein starkes Wachstum von China aus. Wie geht Sotheby’s damit um?

Als ein internationales Auktionshaus haben wir natürlich auch einen Auktionsstandort in Hongkong, und das seit 1973. Im Frühjahr und im Herbst finden dort eine Reihe von Auktionen statt, die gleichermaßen auf nationale wie internationale Resonanz stoßen. Alleine in 2019 hat Sotheby’s in Hongkong mit seinen Auktionen insgesamt $ 936 Millionen erzielt und führt damit zum vierten Mal in Folge den asiatischen Markt an.

Der Erfolg ist sicher auch darin begründet, dass im Hinblick auf jede Auktionssaison wie der kommenden im Juli das Team vor Ort immer ein Auge auf den Puls des asiatischen Marktes und den sich entwickelnden Geschmack der Sammler hat, und entsprechend das Angebot bestückt, wie jetzt unter anderem mit einem grandiosen aus Privatbesitz kommenden Ölgemälde von Chu Teh-Chun.


Welchen Stellenwert haben Online-Auktionen in Zukunft?

Alleine bis Ende Juni hat Sotheby’s 128 Online-Auktionen weltweit durchgeführt und damit über 220 Millionen US-Dollar erzielt. Das ist nahezu das Dreifache des Gesamtergebnisses, das Sotheby’s mit seinen Online-Auktionen in 2019 (zur Info: 80 Millionen US-Dollar) realisiert hat.

Wir leben im Zeitalter der Digitalisierung. Transparenz und Globalität bieten Chancen und neue Möglichkeiten. Das zeigt sich in der Sammlungsstruktur. Cross-Over Collecting wird immer spannender. Dadurch bieten sich auch neue Synergien und Vermarktungsmöglichkeiten an, die durch das Netz eine hohe Reichweite erhalten. Um nur zwei Bespiele von vielen zu nennen: Im Januar diesen Jahres haben sich Sotheby’s & Highsnobiety für eine exklusive Streetwear-Kollektion zusammengeschlossen, die von Altmeistergemälden, die wir versteigert haben, inspiriert war.

Zu jeder Ausgabe unserer Auktionsreihe Contemporary Curated wählt ein namhafter Sammler bzw. eine namenhafte Sammlerin die Werke aus der Auktion aus, die diesem Kurator bzw. dieser Kuratorin besonders gefallen. Im März war es Margherita Missoni, die die Auswahl anhand ihrer kontrastierenden Materialien und Texturen getroffen hat. Die Onlineauktion hat mit über 5 Millionen Pfund ein hervorragendes Ergebnis erzielt.

Ende Juni beispielsweise hat Sotheby’s das Auktionsformat der Zukunft ausgerichtet: Aus aktuellem Anlass wurden unsere Prestigeauktionen im Mai auf Ende Juni verlegt und in einem neuen Format durchgeführt: Die weltweit live übertragenen Abendversteigerungen von Meisterwerken aus der Sammlung Ginny Williams, Contemporary Art sowie Modern Impressionist & Modern Art in New York wurden vom Sotheby’s Chairman und Auktionator Oliver Barker in London remotely abgehalten und per Live-Streaming in die ganze Welt übertragen. Zuschauer konnten die Auktion in High-Definition-Auflösung verfolgen.

Bieter aus der ganzen Welt hatten die Möglichkeit, entweder telefonisch oder über die hochmoderne firmeneigene Bieterplattform ihre Gebote abzugeben. Die telefonischen Gebote nahm Oliver Barker durch die Sotheby’s-Experten in New York, Hongkong und London über verzögerungsfreie Videostreams entgegen. Auf riesigen Bildschirmen  in einem „Kontrollzentrum“ bzw. einer Studioeinrichtung wurden diese übertragen, so dass er das gesamte Geschehen im Blick hatte.


Diese Abendauktionen erzielten ein Gesamtergebnis von $ 363,2 Millionen und haben sich zu 93% verkauft. Die Resonanz der Kunden zeigt, dass wir mit diesem Auktionsformat und den thematisch kurartierten Auktionen den Nerv der Zeit treffen.

Worauf legt Sotheby’s in Deutschland den Fokus?

In Deutschland liegt unser Fokus auf einem ganzheitlichen Service; dies schließt eine individuelle Kundenbetreuung und Beratung sowie die Nähe zum Kunden ein. Unsere Teams der fünf Standorte in Frankfurt, München, Köln, Hamburg und Berlin beraten unsere Kunden in allen Fragen des Kaufs und Verkaufs. Wir organisieren temporäre Ausstellung mit hochkarätigen Werken, die anschließend  in den internationalen Auktionen aufgerufen werden. Außerdem bieten wir Schätztage an, die gemeinsam mit den internationalen Expertinnen und Experten an den jeweiligen Standorten durchgeführt werden. Über die Online- und Liveauktionen hinaus, gibt es für unsere Kunden auch die Möglichkeit über Private Sales direkt und ohne Auktionen zu kaufen oder zu verkaufen.

Sammeln Sie selber Kunst?

Das Sammeln von Kunst ist eine meiner Leidenschaften, zum Beispiel habe ich einige Werke von Künstlern der British Modern Art und junge aufstrebende Künstler, die ich bei den Rundgängen der Kunsthochschulen für mich entdeckt habe.

Arts21.de – Der Künstler Rudi Ninov mit Sotheby-Chefin Nina Buhne – Foto: Edda Rössler

Welches Kunstwerk inspiriert sie am meisten?

Neben der Kunst inspiriert mich nichts so sehr wie die Natur. Treffen beide Inspirationsquellen aufeinander, wie zum Beispiel bei den Ölgemälden von Joan Mitchell, bin ich schlichtweg hin und weg.

Welcher ist Ihr Lieblingswein?

Meine Vorliebe ist ebenfalls von der Natur beeinflusst: Im Sommer geht nichts über einen leichten Rheingauer Riesling. Im Winter trinke ich dagegen gerne Bordeaux. Das Schönste dabei ist, meine Kunstkataloge analog sowie digital durch zu blättern und von den großen Meistern an meiner Wand zu träumen.

Art & Wine: Wir danken Nina Buhne für das spannende Interview und die Einblicke ins Auktionsgeschäft. Sotheby’s Frankfurt ist auch immer ein Besuch wert.

Das Büro in Frankfurt am Main führte, nach Wien und München, die Ausstellungsreihe Artist Quarterly in der Mainmetropole ein. Das Konzept von Artist Quarterly Frankfurt beruht darauf, junge und aufstrebende KünstlerInnen, die in Hessen leben und arbeiten, zu unterstützen, indem das Auktionshaus Sotheby’s ihnen seine Räumlichkeiten unentgeltlich als Ausstellungsfläche zur Verfügung stellt. Die Räume werden mit den Werken der Künstler bespielt und die Ausstellung, die einem bestimmten Thema gewidmet ist, ist für jeden Kunstliebhaber öffentlich zugänglich. Und um es nicht unerwähnt zu lassen, Sotheby’s hat keine Gewinnbeteiligung an den Umsätzen dieser Verkaufsausstellungen. Das Frankfurter Büro feierte dieses Ausstellungskonzept mit den Werken des jungen Künstlers Rudi Ninov (*1992), der seine Ausstellung mit „Fotel“ im Frankfurter Büro im letzten Herbst präsentierte.


Wenn Sie nun auch auf den Geschmack gekommen sind, ihre Kunstsammlung zu starten oder zu erweitern, unterstützt Sie Sotheby’s natürlich gerne.

AUTOR:IN


Marius Greb
Marius Greb
Geschäftsführer von Art & Wine Magazine - Nach einigen Jahren im Finanzwesen wechselte Marius Greb die Branche und befasst sich heute mit Kunst und Wein. Vor dem Start von Art & Wine Magazine startete er Entkorkte Kunst - eine Kombination aus Wein- und Malabenden. Sie möchten mit Marius in Kontakt treten? Schreiben Sie eine E-Mail an Marius@art-wine-mag.com

MEHR ART